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4. Dezember 2018
Redaktion

Zeit zum Handeln für Hersteller, Zulieferer und Dienstleiste

(11/2018) Am 5. April 2017 war es so weit: Das europäische Parlament hat über die neue EU-Verordnung für Medizinprodukte abgestimmt, und erwartungsgemäß passierte der Entwurf das Plenum. Damit beginnt für Medizinprodukte-Hersteller in Europa und auch für solche, die ihre Produkte in Europa verkaufen wollen, eine spannende Zeit mit vielen Herausforderungen. Nach der Veröffentlichung am 5. Mai 2017 im EU-Amtsblatt trat die neue Verordnung am 25. Mai 2017 in Kraft.
Foto: DOC RABE Media/Fotolia
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Der Zeitplan der neuen Verordnungen

Anders als die Richtlinien bisher, müssen die neuen Verordnungen nicht erst von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, sondern können sofort nach Inkrafttreten ab 25. Mai 2017 angewendet werden. Mit der Veröffentlichung hat dann auch die dreijährige Übergangsfrist für die MDR bzw. die fünf­jährige Übergangsfrist für die IVDR begonnen. Frühestens ab sechs Monaten nach dem Inkrafttreten, ab 26. November 2017, können sich Benannte Stellen neu benennen lassen, ein Prozess der ca. 12 bis 18 Monate in Anspruch nehmen wird. Erst anschließend können die Hersteller Anträge auf eine erneute Zertifizierung ihrer Produkte nach neuem Recht einreichen. Hinzu kommt, dass Neuzertifizierungen bis zu 12 Monate je nach Risikoklasse in Anspruch nehmen werden. CE- Kennzeichnungszertifikate, die vor dem Geltungsbeginn ausgestellt wurden, gelten noch bis fünf Jahre weiter, aber maximal bis zu vier Jahre nach Geltungsbeginn. Mit einer vorrausschauenden Planung können Hersteller ihre Produkte noch bis Mitte 2024 nach den alten Vorgaben der Richtlinie verkaufen.

Die MDR ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten, daraus ergibt sich diese Zeitschiene

Regeln und Risikoklassen

Der Regelumfang zwischen der MDD und der MDR hat nicht nur um vier Regeln von 18 auf 22 zugenommen, sondern es müssen auch einige Produkte neu klassifiziert werden. Generell bleibt auch die MDR beim altbekannten Regelsystem aus Klasse I, IIa, IIb und III, allerdings gibt es neue Sonderregelungen. Betroffen sind hier auch chirurgische Instrumente, welche wiederaufbereitet werden können. Ähnlich sterilen Produkten der Klasse I (Is) und Produkten der Klasse I mit Mess­funktionen (Klasse Im) muss in Zukunft bei wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten der Klasse I in begrenztem Umfang eine Benannte Stelle involviert werden. Die Benannte Stelle prüft hierbei nur Aspekte „[…] die mit der Wiederverwendung in Zusammenhang stehen, insbesondere die Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Wartung und Funk­tions­prüfung sowie die damit verbun­denen Gebrauchsanweisungen“ (MDR, Art. 52, Abs. 7 c).

Die Stellung von wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten in der neuen MDR 2017/745. Benannte Stellen müssen an der Zulassung in Bezug auf Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Wartung und Funktionsprüfung beteiligt sein

Benannte Stellen

Auch für die Benannten Stellen bedeuten die neuen Verordnungen eine Zäsur, so müssen sich die Stellen neu benennen lassen. Das Benennungsverfahren und auch die Überwachung durch staatliche Stellen ist deutlich verschärft worden. Eine Forderung nach unangekündigten Audits gab es bereits in der MDD, allerdings konkretisiert die neue Verordnung diese Verpflichtung. Es sind unangekündigte Audits mindestens einmal alle fünf Jahre vorgesehen und zusätzlich nicht nur beim Hersteller selber, sondern gegebenenfalls auch bei seinen Zulieferern. Diesen Aspekt sollten die Hersteller mit ihren Zulieferern klären.

Unter dem Dach der EUDAMED werden verschiedene essenzielle Informationen zusammengefasst, welche von Herstellern, Benannten Stellen und anderen Wirtschaftsakteuren geliefert werden. Die Basis liefern Informationen, welche in der UDI festgeschrieben sind

EUDAMED und UDI

Eine der bedeutendsten Änderungen wird der Um- und Ausbau der europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) sein. Erhöhte Transparenz und verbesserte Rückverfolgbarkeit sind die erklärten Ziele der Neuausrichtung. Die zentrale Datenbank soll alle Informationen von Herstellern, Betreibern, Benannten Stellen und Regulierungsbehörden bündeln und zum Informationsaustausch zwischen allen Parteien dienen, ambitionierte Ziele, vielleicht sogar zu ambitioniert. Obwohl die MDR die Nutzung von EUDAMED in vielen Regelungen ab Mai 2020 vorschreibt, haben sich die Autoren der Verordnung dazu entschieden, dass Forderungen, die im Zusammenhang mit EUDAMED stehen, erst sechs Monate nach der Bekanntmachung der vollen Funktionsfähigkeit von EUDAMED mithilfe der Datenbank erfüllt werden müssen. Bis dahin gelten die Regelungen der alten Richtlinien für die betroffenen Artikel weiter. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass man sich bei der europäischen Kommission selbst nicht sicher ist, EUDAMED mit vollem Funktionsumfang bis 26. Mai 2020 bereitstellen zu können.
Die Registrierung von Medizinprodukten soll mittels der für alle Produkte verpflichtenden UDI (Unique Device Identification) erfolgen. Die UDI soll es erleichtern, Produkte über die gesamte Wertschöpfungskette zu identifizieren. Dies soll die Patientensicherheit erhöhen. Das UDI-System basiert auf verschiedenen Systemen. Der UDI-Device Identifier (UDI-DI) enthält statische Daten wie die Artikelnummer und dient zur Identifikation des Produkts. Der UDI-Product Identifier (UDI-PI) enthält dynamische Daten, wie Chargennummer, Herstell- und Verfallsdatum. Zusammen bilden sie die UDI. Der UDI-Carrier dient als direkter Daten­träger und ist auf dem Medizinprodukt direkt aufgebracht. Bestehend aus maschinenlesbarer AIDC (Automatic Iden­tification and Data Carrier) und Klarschrift HRI (Human Readable Interpretation), erlaubt er die Identifikation der Produkte.
Wiederverwendbare chirurgische Instrumente haben ihren UDI-Carrier auf dem Produkt selbst. Es ist wichtig, dass der UDI-Carrier so angebracht ist, dass er trotz Reinigung, Desinfektion und eventueller Sterilisation über die gesamte Lebensdauer des Produkts lesbar ist. Die Speicherung dieser Daten erfolgt in der UDI-Datenbank. Der Zugang erfolgt über die UDI-DI. Ab 26. Mai 2019 gelten dann die GS1 (Global Standards One), HIBCC (Health Industry Business Communications Coun­cil) und die ICCBBA (International Council for Commonality in Blood Banking Auto­mation) als benannte Zuteilungsstellen für UDI, bis die Kommission die Zuteilungsstellen benannt hat. Für wiederverwendbare chirurgische Instru­men­te wird der UDI-Carrier ab 26. Mai 2027 verpflichtend (bei Klasse-I-Produkten).

Für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person

In Artikel 15 definiert die MDR eine neue Rolle, die vor allem Herstellern im deutschen Raum bereits vertraut erscheinen sollte. Die neu geschaffene Position der für die „Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlichen Person“ ähnelt sehr dem Sicherheitsbeauftragten aus dem deutschen MPG (Medizinproduktegesetz). Hersteller müssen mindestens eine Person im Unternehmen haben, welche über das erforderliche Fachwissen bezüglich Medizinprodukten verfügt und für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist.
Der Nachweis erfolgt entweder durch ein Hochschulstudium in einem relevanten Bereich (Medizin, Recht oder z. B. Ingenieurwesen) und eine einjährige Berufs­erfahrung im Bereich Regulatory Affairs oder Qualitätsmanagement oder durch mindes­tens vier Jahre Berufserfahrung in einem dieser Bereiche. Von dieser Forderung ausgenommen sind lediglich Kleinunternehmen, welche aber dennoch auf eine qualifizierte Person Zugriff haben müssen.

Überwachung nach dem Inverkehrbringen

Anforderungen an Tätigkeiten nach dem Inverkehrbringen von Produkten sind in der MDR detaillierter geregelt als in den Richtlinien. Hersteller von Produkten der Klasse I sind jetzt verpflichtet, einen Bericht über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen anzufertigen (MDR, Art. 85) und bei Bedarf zu aktualisieren sowie diesen auf Nachfrage den Regulierungsbehörden vorzulegen. Für Hersteller von Produkten der Klasse II und höher gehen die Forderungen sogar noch weiter. Hier muss ein Bericht über die Sicher­heit angefertigt werden, der regelmäßig überarbeitet und aktualisiert wird (MDR, Art. 86).

Aufgaben für Hersteller von chirurgischen Instrumenten

Ohne Frage ist die neue MDR für jeden mit viel Arbeit verbunden. Jetzt ist es an der Zeit, für jedes Produkt eine Bestands­aufnahme durchzuführen. Welches unserer Produkte ist von einer Reklassifizierung betroffen? Für welche Produkte ist nach Vorgaben der MDR der Einbezug einer Benannten Stelle notwendig? Eine Überarbeitung der klinischen Daten, der technischen Dokumentation und Kennzeichnung wird für alle Produkte fällig werden.
So treten weitere Testungen in den Fokus und werden für den Nachweis der Sicherheit gefordert. Ein Beispiel hierfür wäre die UDI-Kennzeichnung auf Instrumenten. Hersteller müssen sicherstellen, dass die UDI-Kennzeichnung auf Instrumenten über die gesamte Lebensdauer des Produkts lesbar bleibt, über alle Aufreinigungs- und Sterilisationszyklen hinweg. Diese Anforderung gilt es nun im Labor zu prüfen.
Neben der Prüfung der UDI-Kennzeichnung gewinnen außerdem chemische und physikalische Analysen an Bedeutung. Wurde bisher hauptsächlich auf die Erfüllung der DIN EN ISO 10993 Wert gelegt, so fordert die MDR nun, dass die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Parameter eines Produkts geprüft werden. Dies kann zu einem deut­lich größeren Prüfumfang führen. Obwohl viele der Anforderungen in der neuen MDR denen der MDD entsprechen, ist die MDR in weiten Teilen sehr viel detaillierter als die Richtlinie und erlaubt weniger Interpretation der Anforderungen, was nicht immer schlecht sein muss. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Benannten Stellen Anforderungen mit einem höheren Detailgrad prüfen.

Übergangsfristen sinnvoll nutzen

Anpassungen an die MDR sollten nicht zu lange hinausgeschoben werden, die dreijährige Übergangsfrist schreitet schnell voran und Benannte Stellen können vermutlich erst ab 2019 Rezertifizierungen durchführen. Aus drei Jahren Übergangsfrist kann sehr schnell nur noch ein weiteres Jahr, je nach Größe des Produktportfolios, welches auf MDR-Stand gebracht werden muss, folgen. Dies kann ein Risiko für Unternehmen darstellen. Noch ist die MDR, obwohl veröffentlicht, nicht vollständig fertig, es fehlen noch verschiedene durchführende und delegierende Rechtsakte der EU-Kommission. Wer sich allerdings bereits jetzt mit den nötigen Änderungen befasst, kann dem Inkrafttreten gelassener entgegensehen.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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