Maßnahmen gegen fatale MDR-Folgen
Ausgangspunkt der Veranstaltung war die Vorstellung erster Ergebnisse einer Marktbefragung von Deloitte, Mdr-Competence und Fraunhofer zur Einschätzung der Konsequenzen der MDR. Die Folgen sind z. B. einerseits aufkommende Unsicherheit der Patientenversorgung mit bestehenden Produkten, da diese teilweise aufgrund erneuter klinischer Bewertungen wieder vom Markt genommen werden, und andererseits die bereits eingetretene Innovationshemmung aufgrund zu hoher Eintrittshürden in der EU.
Einige Ergebnisse der Befragung:
- Nur 15 Prozent der Hersteller fühlen sich ausreichend über die Umsetzung der MDR informiert.
- 40 Prozent der Firmen kündigen bereits auf dem Markt befindliche Medizinprodukte auf.
- 50 Prozent sind der Meinung, dass Produkte oder Produktlinien aufgrund der erhöhten Anforderungen eingestellt werden müssen.
- Über 40 Prozent erwarten eine signifikante Preissteigerung der Produkte.
- 65 Prozent der Firmen sind gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit.
- 70 Prozent der Firmen sind verunsichert, ob die sie bislang betreuenden Benannten Stellen sie auch fristenwahrend weiter betreuen werden.
Als Folgen der negativen Auswirkungen der MDR prognostizieren die beteiligten Organisationen mittelfristig ein Abwandern von Firmen in den FDA-geregelten amerikanischen Markt und ein Erliegen des Innovationsstandorts Deutschland.
Auf Grundlage der Marktbefragung erarbeiteten Wirtschaft, Verbände und Wissenschaft konkrete Maßnahmen, die sowohl die aktuelle Situation entspannen als auch das Vertrauen in den Fortbestand des Innovationsstandorts Deutschland wiederherstellen könnten. Diese beinhalten unter anderem: Beschleunigung der Akkreditierung der Benannten Stellen: Die Benannten Stellen müssten so schnell wie möglich wieder akkreditiert werden. Für eine beschleunigte Akkreditierung müsse die EU die Ausstattung der Joint-Assessment- Teams (JAT) deutlich ausbauen, um die Handlungsfähigkeit der Benannten Stellen als verlässlicher Dienstleister für die Patientenversorger im zukünftig absehbaren Arbeitsvolumen sicherzustellen.
Korrektur der Fristen für Hersteller: Die Medizinproduktehersteller und -entwickler sind unmittelbar abhängig von der Handlungsfähigkeit der Benannten Stellen. Durch deren verzögerte Akkreditierung seien gegenwärtige Fristsetzungen inkl. Übergangsfristen für Hersteller nicht haltbar und müssten neu terminiert werden, und zwar ab der Neubenennung (Handlungsfähigkeit) der dann existierenden Benannten Stellen. Sinnvoll seien mindestens 2,5 Jahre ab Neubenennung, um nicht die Existenz der Hersteller wegen der begrenzten Kapazitäten zu gefährden.
Erarbeitung von Umsetzungshilfen: Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, bedürften Start-ups, Kleinstunternehmen bis 25 Mitarbeiter und KMU eines Beratungs- und Unterstützungsprogramms, um weiterhin in der Lage zu sein, Medizinprodukte zu entwickeln. Ein solches Programm könnte ähnlich ausgestaltet sein wie die Reach-Korrekturen der EU im Jahre 2013.
Weiterführung von Förderungen: Die erfolgreiche Förderung des „Innovationsmotors Medizintechnik“ der vergangenen Jahre sollte angesichts der MDR-Situation verlängert bzw. ausgeweitet werden, um einen Innovationseinbruch und die Abwanderung in andere Märkte zu verhindern. Diese sollte auch die schnelle Entwicklung neuer Prüfmethoden, den Datenaustausch zwischen Unternehmen und die Förderung erster klinischer, kostenintensiver Phasen umfassen. Sonderregelung für die Konformitätsbewertung: Die MDR benötigt eine Sonderregelung für die Konformitätsbewertung hochinnovativer Produkte für seltene Krankheiten bzw. Anwendungen, um einen frühen Marktzugang zu ermöglichen.
Augenmerk auf Sondergruppen: Medizinprodukte für Kinder und andere Sondergruppen würden bereits von der Gesundheitswirtschaft vernachlässigt, weil die Zulassungskosten dem Return on Investment in diesen kleineren Marktsegmenten kritisch gegenüberstehen. Eine verbesserte MDR sollte dies nicht weiter verschärfen, sondern gegensteuern.
Vermeidung nicht nachvollziehbarer Folgen für bereits etablierte Produkte: Insbesondere Produkte, die schon seit Jahrzehnten mit sehr geringer Anzahl unerwünschter Vorkommnisse im Markt sind, dürften nicht mittels einer pauschalisierten Forderung zur Durchführung neuer klinischer Bewertungen/Prüfungen aus dem Markt gedrängt werden und die Patientenversorgung dürfe nicht gefährdet werden.
Vermeidung kartellähnlicher Strukturen: Einzelne Institutionen in der Medizintechnikbranche dürfen nicht gleichzeitig als Prüfdienstleister, Benannte Stellen, nationale Berater (NAKI), Berater in der EU-Legislative und als akkreditierte Schulungsstellen auftreten. Als Vorbild könnten die FDA-Regelungen zur Beschränkung kartellähnlicher Strukturen dienen.