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1. Februar 2019
Redaktion

Krankenhaus – das unbekannte Wesen

(01/2019) Das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) hat sich in einer aktuellen Studie einem besonderen Aspekt des Beziehungsgeflechts Krankenhaus/Lieferant gewidmet. Das macht schon der Titel deutlich: „Expertenstudie über die Wahrnehmung des Einkaufsverhaltens von Spitälern aus Sicht der Lieferanten“. Unter den Begriff „Lieferant“ subsumieren die Macher der Studie Hersteller und Händler der Bereiche Pharma, Medizintechnik und Verbrauchsmaterialien. Im Rahmen einer Online-Befragung wurden 695 Unternehmen der Bereiche Pharma, Medizintechnik und Verbrauchs­materialien zu ihren Geschäftsbeziehungen zu Krankenhäusern und deren Einkaufsverhalten befragt. Die Ergebnisse wurden anschließend deskriptiv ausgewertet und interpretiert.

Man spricht punktuell „verschiedene Sprachen“

Obwohl die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Krankenhäusern grund­sätzlich positiv bewertet werden kann, zeigen die Ergebnisse der Studie klares Potenzial für die Verbesserung der Zusammenarbeit in der Schnittstelle. Und folglich lassen sich aus Sicht der Studienmacher verschiedene Handlungsempfehlungen ableiten, die dazu beitragen können, die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Krankenhäusern zu verbessern und so einen Nutzen für beide Seiten zu realisieren.
Mit Blick auf die Lieferantenseite gibt die Expertenstudie einige Handlungsempfehlungen mit auf den Weg:

Bündelung und Priorisierung von Kundenbesuchen: In der Analyse der Kundenkontakte verdeutlicht die Studie, dass momentan häufig mehr Kun­denbesuche stattfinden, als dies von Krankenhausseite gewünscht ist. Grundsätzlich sei ein enger Kundenkontakt wünschenswert. Dennoch sollten Lieferanten in Bezug auf Einkauf und Direktion im Sinne einer ABC-Analyse entscheiden, mit welchen Krankenhäusern sich eine enge Zusammenarbeit lohnt, und die zur Verfügung stehenden Ressourcen entsprechend verteilen.
Kommunikation von Lieferproblemen: Ein Grund für einen Lieferantenwech­sel aufseiten der Krankenhäuser sind Lieferschwierigkeiten. Diese werden von Lieferanten als weit weniger wich­tig für eine solche Entscheidung wahr­genommen. Aus Sicht der Lieferanten sei es sinnvoll, den Einrichtungen bei Lieferschwierigkeiten den Grund klar zu kommunizieren. Die Befragung lasse darauf schließen, dass z. B. Lieferschwierigkeiten, die aufgrund von kurzfristigen Produktmängeln auftreten, eher akzeptiert werden als solche, die auf eine zu geringe Kapazität in der Produktion zurückzuführen sind.
Wertschöpfung betonen: Auch wenn Parallelimporte bisher nur für einen Teil der befragten Unternehmen relevant sind und aus regulatorischen Gründen eher Medizintechnik-Unternehmen und Lieferanten von Verbrauchsmaterialien betreffen, lassen sich auch hier Handlungsempfehlungen ableiten, so die Studie. So sollten Unternehmen im Schweizer Markt aktiv die Vorteile für Krankenhäuser herausstellen, die mit einem Bezug der Produkte in der Schweiz verbunden sind. Dazu zählen aus Sicht der Studienmacher vor allem Servicedienstleistungen wie Garantieansprü­che, Kundenservice, Schulungen, die Übernahme von Lieferkosten etc.

Den Krankenhäusern wiederum gibt die Studie folgende Handlungsempfehlungen an die Hand, um die Beziehung zu den Lieferanten transparenter und effizienter zu gestalten

Ausschreibungsprozess verbessern: In der Befragung wurde deutlich, dass es bezüglich Ausschreibungen von Kran­kenhausseite aus Sicht der Lieferanten Verbesserungspotenzial gibt. Da­bei besteht vor allen ein Interesse an mehr Transparenz. Dies könnte die Bereitschaft der Lieferanten steigern, an entsprechenden Ausschreibungen teilzunehmen. So würden der Zugang für Lieferanten sowie das Angebot für die Krankenhäuser gesteigert, was einen Mehrwert auf beiden Seiten bedeutet. Aufseiten der Krankenhäuser sei zu prüfen, ob die notwendigen Kenntnisse dafür vorhanden sind. Zudem bestehe die Möglichkeit, Ausschreibungen über externe Firmen abzuwickeln.
Kommunikation von Anforderungen: In vielen Krankenhäusern nimmt das Beschaffungsmanagement eine Gatekeeper-Rolle ein. Dabei besteht die Gefahr, dass besonders kleineren Unternehmen der Marktzugang erschwert wird und Innovationen gebremst werden. Um dies zu verhindern, sollten klare Leitlinien erstellt werden, die ein Lieferant erfüllen muss, um den Anforderungen des Krankenhauses an einen Lieferanten zu genügen. Diese Leitlinien sollten möglichst einfach formuliert sein. Dies bietet zudem den Vorteil, dass Lieferanten die Erfüllung der Kriterien proaktiv kommunizieren können, was den Aufwand des Krankenhauses für eine spätere Lieferantenbewertung stark reduzieren könne.
Kollaboration statt Konfrontation: Die Form der Professionalisierung des Beschaffungsmanagements, wie es von vielen Krankenhäusern vorangetrieben wird, fokussiert sich auf die kurzfristige Ausnutzung der Verhand­lungs­macht zur Erzielung von Preisnachlässen. Eine nachhaltige Beschaf­fungs­politik besteht nicht in einer kon­frontativen Verhandlungstaktik mit den Lieferanten, sondern in langfristigen Partnerschaften. Daher sollte die Zusammenarbeit in der Schnittstelle im Sinne einer Co-Creation mit wichtigen A-Lieferanten vorangetrieben werden, rät die Studie.

„Expertenstudie über die Wahrnehmung des Einkaufsverhaltens von Spitälern aus Sicht der Lieferanten“. Eine Studie des WIG – Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie – im Auftrag von ML Healthcare Partners. Autoren: Tim Brand, Florian Liberatore, Alfred Angerer. Kurzlink zur Studie: https://bit.ly/2OfjpKr

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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