Robotische Systeme für die Pflege
Gefördert werden Innovationen zur Entlastung von Pflegekräften und pflegenden Angehörigen sowie zur Verbesserung der Lebensqualität Pflegebedürftiger: „Ziel ist es, innovative Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Mensch-Technik-Interaktion zu fördern, welche die Selbstständigkeit und das Wohlbefinden von Pflegebedürftigen stärken, Pflege- und Betreuungskräfte sowie Angehörige physisch und psychisch entlasten und einen Beitrag zu einer qualitätsvollen Pflege leisten.“
Es geht um Forschungsprojekte zur Entwicklung und Erprobung innovativer robotischer Systeme, die auf praxisbezogene Anforderungen der Pflege in konkreten Anwendungsfeldern ausgerichtet sind. Dabei können robotische Systeme von Komponenten wie Roboterarmen bis hin zu humanoiden Robotern reichen. Zu den denkbaren Anwendungsfeldern zählen z. B.: Therapie, Kommunikation und Interaktion, Transport, Transfer und Mobilität, Assistenz oder Begleitung. Gabriele Albrecht-Lohmar vom BMBF verwies darauf, dass im Rahmen des Programms Pflegeinnovationen aktuell insgesamt 45 Projekte mit einer Gesamtsumme von 82 Mio. Euro gefördert werden. Seit 2016/17 sind außerdem 18 Projekte für Roboter mit Assistenzfunktionen im Programm.
Chancen für die Pflege
Maxie Lutze vom Projektträger VDI/VDE IT sieht Chancen im Einsatz von Robotern in der Pflege, die im Pflegesektor spezifisch definierte Rollen und Routinen übernehmen könnten. In Logistik, Transport und Reinigung seien Roboter in einigen Fällen im klinischen Sektor im Einsatz. Bei intelligenten Pflegehilfsmitteln werden z. B. robotische Lifter, die herkömmliche Lifter ersetzen könnten, Exoskelette zur Hebeunterstützung für Pflegekräfte, Lösungen zur Telepräsenz von Angehörigen oder Pflegekräften etwa im häuslichen Umfeld sowie emotionale und Kommunikationsroboter im Hinblick auf ihren Nutzen für die Pflege diskutiert.
Dabei seien viele Projekte noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Bei Pflegekräften seien robotische Lösungen in der Pflege noch kaum bekannt. Auf der anderen Seite seien die Betroffenen offen für robotische Unterstützung. Gefördert werden die Entwicklung neuer Systeme für konkrete pflegerische Situationen sowie die Erprobung existierender Systeme und ihre bedarfsgerechte Weiterentwicklung. Außerdem sollen in einem Begleitprojekt theoretische und praktische Grundlagen für die Bewertung des Einsatzes robotischer Systeme in der Pflege erarbeitet werden. Weitere Infos unter: www.technik-zum-menschen-bringen.de
Projekt Robina
Seit April 2017 befindet sich das Berliner Projekt Robina bereits in der Förderphase. Bis Ende März 2020 werden bis zu 68 Prozent der Kosten in Höhe von insgesamt 2,57 Mio. Euro über Fördermittel des BMBF gedeckt. Es geht um roboterunterstützte Dienste für eine individuelle und ressourcenorientierte Intensiv- und Palliativpflege bei Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer schweren neurodegenerativen Erkrankung. Das Projekt wird von der Charité wissenschaftlich begleitet. Marius Greuèl vom Verbundkoordinator Pflegewerk Berlin zog in seinem Vortrag eine Halbzeitbilanz.
Konkret umgesetzt wurde ein Demonstrator in Form eines Roboterarms, der mittels acht Gelenken den teilweise gelähmten Körper unterstützen kann. Er hat eine Reichweite von bis zu 86 cm, ist über eine App programmierbar und kann intuitiv gesteuert werden. Greuèl benannte die Ziele von robotischen Pflegeassistenzsystemen:
- Entlastung des schwerkranken Patienten
- körpernahe und -ferne Aufgaben
- adaptive und intuitiv steuerbare Anwendung
- sensible Sensorik
- hohe Benutzerfreundlichkeit
- Selbstbestimmung
- direkte Steuerung des Assistenzroboters
Für Robina wurden insgesamt rund 80 Anforderungen formuliert, z. B. aus den Bereichen Essen, Hygiene und Pflegeunterstützung, Greiffunktion, Kommunikation und Mobilität. Die Bedienung ist auch möglich über Augensteuerung, Lidzucken, Taster, Tastatur, Zunge oder Kiefer.
Frühmobilisation mit Robotik
Wie Frühmobilisation von Intensivpatienten durch adaptive Robotik am Bett (MobIPaR) aussehen kann, stellte Alexander König dar. Der Gründer und Geschäftsführer der Firma Reactive Robotics aus München beschrieb das Projektziel der Entwicklung und klinischen Demonstration von „assist-as-needed“-Strategien und autoadaptiver robotischer Pflegeunterstützung. Eine Frühmobilisierung lasse die Patienten schneller genesen und reduziere die Immobilität, was zu einem geringeren Pflegeaufwand führe.
Dies wird aktuell etwa durch „Bettenfahrräder“ oder Betten erfolgen, die mit dem fixierten Patienten senkrecht gestellt werden können. Es existiere aber aktuell keine Lösung, welche die Vorteile beider Systeme kombiniere. Deswegen hat die Firma Reactive Robotics das VEMO-System entwickelt. VEMO steht für Very Early Mobilization (engl. für Frühmobilisierung). Das System kombiniert stufenlos einstellbare Vertikalisierung mit robotergestützter Beinbewegungstherapie in einer sicheren Umgebung.
Patienten können im Bett bleiben und müssen nicht auf separate Geräte transferiert werden. Mit dem System Vemo könne die Liegezeit auf der Intensivstation um rund ein Fünftel verkürzt werden. Statt drei bis vier Therapeuten bzw. Pflegekräften sei nur noch eine Person notwendig. Dank der robotischen Assistenz reduziere sich somit der Pflegeaufwand um rund 10 Prozent pro Patient.
Exoskelett in der Pflege
Dr. Athanasios Karafillidis von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg gab Informationen zu Smart Assist, einem Projekt, das u. a. an Exoskeletten für die (Alten-)Pflege arbeitet. Exoskelette könnten bei manuellen Tätigkeiten die Arbeit erleichtern. Diese anziehbaren Roboter kommen zum Einsatz in Prävention, Rehabilitation und Augmentierung, womit das Stärken vorhandener Fähigkeiten, der Mobilität, Unabhängigkeit und des Wohlbefindens gemeint ist.
Diese Exoskelette bewegen sich mit dem Nutzer und können dessen Kraft steigern, ihn stabilisieren und die Ausdauer erhöhen. Sie werden in passive und aktive Produkte sowie je nach körperlicher Unterstützungsregion unterschieden. Robotische Systeme in der Pflege können dem Klienten bzw. Bewohner selber helfen oder Pflegekräfte etwa beim Lagern und Transfer unterstützen.
Für die Altenpflege sollte ein Exoskelett stufenlos an Körperformen anpassbar sein, den unteren Rücken entlasten und bei starker Belastung unterstützen, bei allen anderen Aktivitäten jedoch nicht stören. In diesem Zusammenhang werden auch vorhandene Systeme erprobt, z. B. eines aus Japan. Laut Karafillidis können sich Exoskelette in der Pflege durchsetzen, wenn weitere Erforschung erfolgt und die Besonderheiten der Pflege berücksichtigt werden.