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6. Februar 2018
Redaktion

Der Markt und die Herausforderungen für die Medizintechnik

(01/2018) Die Wirtschaft befindet sich derzeit in einer prächtigen Verfassung. Auch die Gesundheitswirtschaft floriert weltweit. Daten zur globalen und nationalen Gesundheitswirtschaft, insbesondere zur Medizintechnik, sowie Informationen zu den Treibern des Wachstums, aber auch zu den Herausforderungen für die Branche gab Marcus Kuhlmann, Leiter des Spectaris-Fachverbandes Medizintechnik, auf der Medica im letzten November.
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Foto: privat
Marcus Kuhlmann lieferte Marktanalysen und prognostizierte Herausforderungen für die Zukunft.

Der globale und nationale Markt für Medizinprodukte

Zur Gesundheitswirtschaft gehören neben der Medizintechnik/Medizinprodukte und Bildgebung auch die Pharmazie, Biotechnologie, In-vitro-Diagnostika und die spezialisierte Informationstechnologie. 2016 machte die Branche nach Angaben von Marcus Kuhlmann vom Herstellerverband Spectaris bei einem Wachstum von 4,8 Prozent weltweit einen Umsatz von 1,65 Billionen Dollar. 2025 sollen es 2,7 Billionen Dollar werden, so die Prognose vom Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan. Der größte Markt war 2016 Nordamerika mit einem Volumen von 668 Mrd. Dollar, gefolgt von Europa mit 383 Mrd., Asien (ohne Japan) mit 297 Mrd., Japan mit 162 Mrd., Latein­amerika mit 107 Mrd. und dem Rest der Welt mit 36 Mrd. Dollar.
Dies wird sich in den nächsten Jahren stark ändern. 2025 soll zwar immer noch Nordamerika mit einem Volumen von 891 Mrd. Dollar an der Spitze stehen, dicht folgen wird gemäß der Prognose aber Asien mit 803 Mrd. vor Europa mit 424 Mrd., Lateinamerika (261 Mrd.), Japan (205 Mrd.) und der restlichen Welt (113 Mrd. Dollar).
Auf die Medizintechnik entfielen 2016 350,5 Mrd. und auf die bildgebenden Verfahren 28,7 Mrd. Dollar. (Anm. d. Red.: Auch bildgebende Verfahren sind Medizintechnik. Marcus Kuhlmann beleuchtete die Bereiche in seiner Darstellung getrennt.) 2025 sollen es für die Medizintechnik 584 Mrd. und für die bildgebenden Verfahren 57 Mrd. Dollar sein. Den größten Wachstumssprung innerhalb der Gesundheitswirtschaft wird die IT von 53,1 Mrd. auf 203 Mrd. Dollar machen, so die Prognose.
Mit 14 Prozent hatte 2016 die Orthopädie den größten Anteil am weltweiten Medizintechnik-Markt, gefolgt von minimalinvasiven Verfahren (12 %), Kardiologie (10 %), Ophthalmologie (9 %), Wundversorgung (6 %), Audiologie und Beatmung/Anästhesie (jeweils 5 %), Neurologie (3 %), Urologie/Gynäkologie, Ästhetik und Robotik/Navigation (jeweils 2 %) sowie anderen Produkten (30 %). Das größte Wachstum in der Medizintechnik dürfte in den nächsten Jahren die Endoskopie haben. An der Spitze des Markt­anteils soll die Kardiologie die Orthopädie überholen.
Die deutsche Medizintechnik-Indus­trie hatte 2016 1.258 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern (insg. 133.000 Beschäf­tigte) und einen Umsatz von 29,2 Mrd. Euro. Sie ist in Europa führend vor der irischen und der französischen Indus­trie. (Anm. d. Red.: In Irland haben viele Unter­nehmen ihren offiziellen Sitz.) Welt­weit führen mit Abstand die USA mit einem Marktanteil von 38,8 Prozent vor China mit 12,2 Prozent und Deutschland mit 9,3 Prozent. Die Exportquote Deutsch­lands lag bei 64 Prozent. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 12.000 Medizinprodukte-Unternehmen. 93 Prozent der Betriebe haben weniger als 250 Mitarbeiter. 2018 sollen die Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern und insgesamt 138.000 Beschäftigten 32,1 Mrd. Euro um­setzen.
Der größte Exportmarkt der deutschen Medizinprodukte-Industrie ist die EU mit einem Anteil von 42 Prozent, gefolgt von Asien und Nordamerika mit einem Anteil von jeweils 19 Prozent. Bei den Zielländern dominieren die USA mit einem Exportvolumen von 3,98 Mrd. Dollar vor China (1,68 Mrd.), Frankreich (1,43 Mrd.), den Niederlanden (1,33 Mrd.) und Italien (1,08 Mrd. Euro). Umgekehrt führen die USA auch die Rangliste bei den deutschen Medizinprodukte-Importen mit 4,04 Mrd. Euro an, vor der Schweiz (1,79 Mrd.), China (0,93 Mrd.), Japan (0,76 Mrd.) und den Niederlanden (0,62 Mrd. Euro).

Digitalisierung als Wachstumstreiber

Treiber für das beschriebene Wachstum in den nächsten Jahren werden die wachsende Bevölkerung, die demografische Entwicklung und die Modernisierung der Systeme in den Schwellenländern sein. Technisch wird die Digitalisierung Wachstumstreiber sein. Die Hersteller werden sich vom klassischen Anbieter von Gerätetechnik in der letzten Dekade über den Lösungsanbieter im aktuellen Jahrzehnt hin zum Anbieter digitaler und ganzheitlicher Gesundheitslösungen in der kommenden Dekade entwickeln. Wichtige Eckpunkte im Rahmen der Digitalisierung werden die herstellerunabhängige Vernetzung und die Kompatibilität der Geräte, Big Data mit intelligenter Datenanalyse und die Telemedizin sein.
Zum großen Thema entwickelt sich laut Kuhlmann die individualisierte Medizintechnik mit neuen Behandlungsmöglichkeiten. Unter anderem additive Fertigungsverfahren machen es möglich. Als weitere Stichworte im Rahmen der Medizintechnik 4.0 für das Jahr 2030 nannte er immer realistischere Einblicke in das Kör­perinnere (Virtualisierung), 3-D-Druck, Wearables/Smarthome, Sensorisierung im Bereich der Prothetik und der Fern­überwachung, Automatisierung/Robotisierung, eingebettete System mithilfe der Digitalisierung und Miniaturisierung, dauerhaft implantierte Analysefunktionen (z. B. Blutzucker) und Werkstoff-Inno­vationen für mehr Biokompatibilität und Stabilität.

Die Herausforderungen für die MT-Industrie

Kuhlmann ist überzeugt davon, dass die Marktkonzentration weiter zunehmen wird. Er geht davon aus, dass (amerikanische) Großunternehmen mittelständische deutsche Hersteller übernehmen werden. Auch die Konkurrenz aus den sich entwickelnden Ländern und Märkten werde zunehmen. So wuchs der Anteil der sog. Emerging Markets am MT-Weltmarkt von 18 Prozent im Jahre 2010 auf 23 Prozent im Jahre 2016 und wird der Prognose nach bei 31 Prozent im Jahre 2022 liegen. China als wichtigstes Land zeichnete sich früher als Kopierer aus, schon heute ist es aber auch ein Wettbewerber bei qualitativ höherstehenden Produkten.
Aber nicht nur die aufstrebenden Länder müssten immer mehr ins Kalkül gezogen werden, sondern auch bislang bran­chenfremde IT-Giganten wie Google, Apple usw. Solche Unternehmen werden wohl schon mittelfristig in den ersten Gesundheitsmarkt vorstoßen. Etablierte Unternehmen müssten es schaffen, so Kuhlmann, Schnittstellen und Standards im Bereich Smart-Medtech zu entwi­ckeln, die eine hohe Interoperabilität bei gleichzeitig größter Cyber-Sicherheit bieten. Kuhlmanns Befürchtung: „Da Innovationen künftig verstärkt daten- und softwaregetrieben sind, droht vor allem mittelständischen Unternehmen, den Anschluss zu verlieren.“
Eine weitere Herausforderung liege in der Informations- und Patientensicherheit. Bei zunehmender Vernetzung und Cloud-Speicherung von Daten entwickle sich ein erhöhtes Risiko durch Hacker- und Sabotageangriffe. Gestohlene Daten bringen für Unternehmen nicht nur Vertrauensverlust; Sicherheitslücken beispielsweise bei Chip-Implantaten könnten auch zu Todesfällen führen.
Eine große Belastung seien auch die steigenden regulatorischen Anforderungen hinsichtlich der Markt- und Produktzulassung, beispielsweise durch die EU-Medizinprodukteverordnung und Nutzenbewertungen. Regulatorische Anforderungen stellten ein Innovations­hemm­nis, eine Wachstumsbremse und einen erheblichen Kostenfaktor dar, so Kuhlmann. Regulatorische Anforderungen werden international auch zur Markt­abschottung und zum Aufbau von Handelshemmnissen missbraucht.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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