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2. Dezember 2020
Redaktion

Das E-Rezept kommt – zumindest für Apotheken

(11/2020) von Güven Karakuzu, Geschäftsführer IT-Labs
Das E-Rezept wird kommen. Zunächst sollen die Apotheken und später auch weitere Leistungserbringer, z. B. aus dem Hilfsmittelbereich, eingebunden werden. Erläutert werden im Folgenden der aktuelle Stand, die Funktionsweisen und die Problematik für Sanitätshäuser und Homecare-Betriebe wegen der zeitlich verzögerten Aufnahme ins System. 
Foto: sebra/Adobe Stock
Foto: sebra/Adobe Stock

Fest steht: Das E-Rezept wird kommen. Die Gematik hat ihr systemspezifisches Konzept für die Einführung des E-Rezepts veröffentlicht. Durch das E-Rezept sollen bestehende papiergebundene Prozesse digitalisiert und vereinfacht werden. Mit der Einführung des E-Rezepts will die Gema­tik einen neuen sicheren Kommunikationsweg zwischen Patienten und Apotheken schaffen und verspricht Praxismitarbeitern und Apothekern mehr Zeit für ihre Patienten bzw. Kunden. Laut Gematik schafft die elektronische Übermittlung von Rezepten für Versicherte eine komfortablere Handhabung ihrer Rezepte. Außerdem soll die elektronische Übermittlung den Arbeitsprozess rund um das Rezept für Ärzte sowie für Apotheker erleichtern und beschleunigen. Andere Leistungserbringer, wie z. B. Homecare-Unternehmen oder Sanitätshäuser, befürchten jedoch häufig Wettbe­werbsnachteile und andere Probleme, da für sie noch viele Fragen offen sind. Ihr Anschluss an die Telematikinfrastruktur soll erst nach den Apotheken erfolgen.

Rezept einlösen per App

Der Prozess der elektronischen Verordnung zwischen Ärzten, Patienten und Apotheken sieht folgendermaßen aus: Der Arzt generiert für den versicherten Patienten ein E-Rezept direkt in seiner Praxissoftware und übermittelt es aus dem Praxissystem heraus an den zentralen E-Rezept-Fachdienst. Der E-Rezept- Fachdienst ist ein zentraler Server, der als Bindeglied zwischen Ärzten und Apothekern dient. Der Arzt legt die Verordnungen auf dem Fachdienst ab, sodass eine Apotheke sie nach Erhalt der Berechtigung von dort herunterladen kann. Der Patient kann nun entscheiden, ob er sein Rezept digital auf seinem Smartphone oder als ausgedruckten 2-D-Code in Papier­form erhalten möchte. Auf dem Smartphone kann der Patient sein E-Rezept mithilfe des E-Rezept-Frontends, also einer App, einsehen und verwalten. Über die App generiert der Versicherte auch den sogenannten E-Rezept-Token. Der E-Rezept-Token berechtigt eine Apotheke dazu, auf das E-Rezept zuzugreifen und es vom E-Rezept-Fachdienst herunterzuladen. Den Token kann der Versicherte direkt aus der App heraus an eine Apotheke seiner Wahl übermitteln. Über die Telematikinfrastruktur sendet das Frontend eine Nachricht mit dem Token an die ausgewählte Apotheke, die nun das E-Rezept einsehen und herunterladen kann. So können Medikamente beispielsweise schon bereitgestellt werden oder der Patient kann Rückmeldung erhalten, falls ein Medikament erst bestellt werden muss. Wahlweise kann der E-Rezept-Token aber auch in einen optischen 2-D-Code umgewandelt werden. Diesen kann der Versicherte dann persönlich in der Apotheke vorlegen, entweder auf dem Smartphone oder ausgedruckt in Papierform.  Die Apotheke erhält so die Berechtigung, auf das E-Rezept auf dem Fachdienst zuzugreifen, und kann das Medikament an den Patienten abgeben.

Das E-Rezept-Frontend kommt von der Gematik

Eine offizielle App soll von der Gematik selbst gestellt werden. „Der Königsweg zur Rezeptübermittlung wird von der Gema­tik kommen. Allerdings sollen E-Rezepte aus der App auch an andere Anbieter weitergeleitet werden können“, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Auch laut dem kürzlich verabschiedeten Patientendaten-Schutz-Gesetz sollen Ver­sicherte, die ihr Rezept lieber in einer ande­ren App abrufen wollen, es über eine Schnittstelle an Apps anderer Anbieter weiterleiten können. In den Spezifikationen der Gematik ist von einer solchen Schnittstelle jedoch keine konkrete Rede. Vielmehr sollen Versicherte die Möglichkeit bekommen, ihren E-Rezept-Code über einen Messenger-Dienst oder per E-Mail an einen Vertreter weiterzuleiten, wenn sie zum Beispiel selbst nicht in der Lage sind, in die Apotheke zu gehen. Das E-Rezept-Frontend muss nach den Spezifikationen der Gematik nicht nur den E-Rezept-Token, sondern auch die fachlichen Inhalte der Verordnung anzeigen, also die dahinterliegenden Informationen der jeweiligen Medikation. Außerdem muss der Patient die Möglichkeit haben, die abgebende Apotheke in einem Verzeichnis auszuwählen. Neben der Verwaltung und Übermittlung des E-Rezepts, darf das E-Rezept-Frontend auch noch zusätzliche Funktionen enthalten, solange dadurch keine personenbezogenen oder medizinischen Daten gefährdet sind. In diesem zugehörigen Abschnitt der Spezifikationen schlägt die Gematik zum Beispiel Verfügbarkeitsabfragen im Warenwirtschaftssystem der Apotheken vor. Patienten könnten so von vornherein überprüfen, bei welcher Apotheke ihr verordnetes Medikament auf Lager ist.
Problem 1: Vertretungsregelung An dieser Stelle entsteht die erste Problematik in Bezug auf andere Leistungserbringer. Derzeit fordern viele Hilfsmittel-Versorger die Rezepte ihrer zu versorgenden Patienten in den Arztpraxen an. Die Arztpraxen stellen die Verordnungen aus und faxen sie meist vorzeitig an den Versorger, damit dieser die Rezepte prüfen und die Versorgung einleiten kann. Der neue Prozess für das E-Rezept sieht das jedoch nicht vor. Hier ist der Empfänger primär immer der Patient, der den Rezeptcode digital oder ausgedruckt an den Versorger weiterleiten muss. Was aber, wenn der Patient gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, das Rezept in Empfang zu nehmen oder weiterzuleiten? Kann sich der Hilfsmittel-Leistungserbringer beim Arzt mit einer Einwilligung des Patienten bzw. dessen Stellvertreter autorisieren lassen und dann im Namen des Versicherten den Code erhalten? Bis jetzt sind diese Fragen für die anderen Leistungserbringer offen. Das Gleiche gilt für die Infrastruktur rund um die Verarbeitung des E-Rezepts. Für Apotheken ist dies durch die Spezifikationen der Gematik schon deutlich klar geworden.

Datenbank und Identifizierung

Wichtiger Bestandteil der Infrastruktur rund um das E-Rezept sind neben dem E-Rezept-Frontend und -Fachdienst noch zwei weitere zentrale Server, nämlich der Verzeichnisdienst und der Identity Pro­vider. Der Verzeichnisdienst ist einen Art Datenbank aller Ärzte und Apotheker, die an der Telematikinfrastruktur teilnehmen. Die Daten werden vom Versicherten benötigt, um zum Beispiel eine Apotheke auszuwählen, an die er sein E-Rezept zum Einlösen übermitteln will. Der Identity Provider dient zur Identifizierung der an der Telematikinfrastruktur teilnehmenden Akteure und autorisiert diese für den Zugriff auf die einzelnen Bausteine. Aus Gründen des Datenschutzes dürfen Fachdienst-Server und Identity Provider nicht vom gleichen Unternehmen betrieben werden, damit die sensiblen Daten nicht in einem Unternehmen gebündelt werden.

Anschluss anderer Leistungserbringer

Bisher ist in den Spezifikationen der Gema­tik hauptsächlich von einer „Übermittlung von ärztlichen und zahnärztlichen Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel“ die Rede. Aber auch andere Leistungserbringer, wie zum Beispiel Homecare-Unternehmen oder Sani­tätshäuser, müssen die Möglichkeit bekommen, elektronische Rezepte zu empfangen und abzurechnen. Die Fachanwendung E-Rezept soll demnach um weitere Rezepttypen, wie Heilmittel, Hilfs­mittel, T-Rezepte oder BtM-Rezepte, erweiterbar sein. Genaue Angaben zur Umsetzung und Anbindung dieser anderen Leistungserbringer an die Telematik­infrastruktur gibt es jedoch noch nicht. Im DVG, dem Digitale-Versorgung-Gesetz, ist lediglich festgeschrieben, dass die Rege­lungen für die Anbindung bis Ende des Jahres geklärt werden sollen. Die Anbindung anderer Leistungserbringer ist jedoch dringend erforderlich, auch um die Wettbewerbsgleichheit mit den Apotheken zu gewährleisten. Um Wettbewerbsverzerrungen auszuschlie­ßen, ist das E-Rezept bis zum Anschluss der anderen Leistungserbringer zwar auf apothekenpflichtige Arzneimittel begrenzt, jedoch löst das die Problematik nicht vollständig. Einige Produkte, wie zum Beispiel Verbandmittel oder Diäten zur enteralen oder sogar parenteralen Ernährung, sind im Abrechnungssinne des § 300 SGB Arzneimittel. Meist werden diese nicht nur von Apotheken zur Verfügung gestellt, sondern oft versorgen direkt die Homecare-Unternehmen ihre Patienten. Diese Bereiche der Versorgung könnten von den Apotheken übernommen werden, solange die anderen Leis­tungserbringer nicht die Möglichkeit haben, elektronische Rezepte anzunehmen.
Problem 2: Heilberufsausweis für SanitätshäuserDie Apotheken werden zeitnah mit dem sogenannten elektronischen Heilberufsausweis ausgestattet, der sie für den Zugriff auf die Telematikinfrastruktur akkreditiert. Der BVMed ist deswegen dafür, elektronische Heilberufsausweise auch an Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Unternehmen auszugeben. Zusätzlich dazu setzt der Verband sich für die Möglichkeit ein, dass Homecare-Unternehmen sich als Institution akkreditieren lassen können, um auf diesem Weg den Empfang digitaler Verordnungen zu gewährleisten. Die Ausgabe der Heilberufsausweise obliegt den Kammern der Ärzte und Apothekern. Solche Kammern gibt es für Hilfsmittel- und sonstige Leistungserbringer jedoch nicht. Entweder müssten andere Organisationen diese Rolle übernehmen oder diese Leistungserbringer erhalten keinen vollwertigen Heilberufsausweis. Stattdessen könnten sie einen eingeschränkten elektronischen Berufsausweis (eBA) oder einen sog. Institutionsausweis (SMC-B) erhalten. Hier könn­ten die Leistungserbringer keine Daten ändern, wie zum Beispiel Versicherten-Stammdaten, und ihre Zugriffsberechtigung wäre eingeschränkt. Zumindest wäre aber gewährleistet, dass sie das E-Rezept damit empfangen und abrufen können.

Der Markt verschiebt sich deutlich zu den Apotheken

Das E-Rezept hat das Potenzial, die Apotheken massiv zu stützen und ihnen den Markteinstieg in lukrative Teile der Hilfsmittelversorgung, wie zum Beispiel die klinischen Ernährungstherapien, zu ermöglichen. Für Hilfsmittel-Versorger ist vieles noch offen. Daher ist ein starkes Engagement der Vereine und Verbände notwendig, damit der Anschluss an das E-Rezept und all den damit verbundenen Änderungen nicht verpasst wird. Bis zum 30. Juni 2021 sollen nun die technischen Komponenten rund um das E-Rezept bereitgestellt werden, sodass das E-Rezept dann ab Juli 2021 bundesweit verfügbar ist – zunächst einmal für die Apotheken. Ab dem 1. Januar 2022 muss das E-Rezept verpflichtend von allen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Zahn­ärzten für die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden. Damit ist das E-Rezept keine ferne Zukunft mehr. Es ist ein absolut absehbarer technologischer Schritt, dessen Auswirkungen nicht zu unterschätzen sind.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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