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5. Januar 2021
Redaktion

Die Branche hat mehr Zuspruch verdient

(12/2020) Im Rahmen der Podiumsdiskussion zum Thema „Wie geht es der Branche? Was sagen Zahlen, Daten, Fakten?“ anlässlich der OTWorld.Connect in Leipzig wurde Spurensuche betrieben. Zum einen wurde deutlich, wie sehr Corona die Leistungserbringer beutelt, zum anderen zeigen Zahlen, wie effektiv Hilfsmittelversorgung sein kann. Und die Politik hört allmählich gut zu.
Grafik: Leipziger Messe
Foto: Leipziger Messe

Der aus dem Bundestag zugeschaltete CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne betonte erneut, unter Verweis auf sein 5-Punkte-Papier vom April 2020, die Systemrelevanz der Hilfsmittelbranche. Es dürfe bei einem neuen Lockdown nicht mehr wie im April und Mai passieren, dass die Sanitätshäuser an den Klinik­toren abgewiesen werden: „Die Landkrei­se werden jetzt wohl klug und besonnen handeln.“ Aus seiner Sicht ist es klar, dass Themen wie Hilfsmittelversorgung, Pfle­ge und Orthopädietechnik künftig in der politischen Diskussion einen viel stärkeren Stellenwert haben werden als bislang.

Tipps vom Polit-Profi

Auf die Frage von BIV-OT-Präsident Alf Reuter, warum sich die Hilfsmittelbranche so schwertue, sich Gehör in der Politik zu verschaffen – man laufe hier „gegen eine Gummiwand“ – hatte Dr. Kühne einen einfachen Rat zur Hand: „Machen Sie aus ihren fünf Richtungen eine Richtung.“ Die Hilfsmittel-Lobby müsse stark und einheitlich auftreten, nur so verschaffe sie sich Gehör. Hieran hake es bislang noch. Man sitze zwar heute zusammen, was einen Riesenschritt nach vorn gegenüber der Vergangenheit bedeute, aber in den Gesprä­chen zeigten sich dann innerhalb der Branche unterschiedliche Sichtweisen dazu, wie man auf die Politik zugehen soll. Das sei nicht zielführend: „Treten sie geschlossen auf!“, appellierte Kühne an die Branche.

Zahlen sprechen klare Sprache

Es fiel dann Reuter zu, die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Hilfsmittelbranche speziell im zweiten Quartal 2020 mit Zahlen zu untermauern. Schwer zu schaffen machten der Branche speziell zwischen April und Juni Lieferengpässe bei Pflegehilfsmitteln und vor allem bei PSA (FFP2-, FFP3-Masken, Desinfektionsmittel, Einmalhandschu­he). Während sich die Situation bei Desinfektionsmitteln spürbar entschärft habe, zeichneten sich bei Einmalhandschuhen erneut Lieferengpässe ab. Sein Rat an die Kollegen: „Deckt euch mit Einmalhandschuhen ein!“ Der Mangel an PSA habe deshalb auch speziell im April und Mai die Arbeitsfä­higkeit im Sanitätshaus und in der Ortho­pädietechnik stark eingeschränkt. Aktuell habe man die Situation zwar im Griff, aber der grundsätzliche Mangel an PSA stelle ein fortwährendes Risiko dar. Die wirtschaftliche Lage sei zwischen April und Juli für viele Betriebe aufgrund dramatisch eingebrochener Auftragseingänge prekär gewesen – und das für OT, OST, Reha und Sanitätshaus gleichermaßen. Und eines sei klar: „Diese Zahlen sind nicht aufholbar.“ Umso mehr erneuerte er seine Forderung nach Unterstützung der Hilfsmittelbranche durch die Politik. Konkret bedeute dies: Zugang zu PSA, Zugang zu Kliniken und Heimen, Zugang zu Schnelltests und finanzielle Unterstützung, wie sie auch den Leis­tungserbringern im Heilmittelbereich ge­währt wurde.

Lieferketten und Produktion auf dem Prüfstand

Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Kugler erinnerte an die über Jahre gewachsene Abhängigkeit von chinesischen und indischen Produktionsstandorten. Eines sei nun aber allen klar geworden: „Die Globalisierung funktioniert unter Covid nur bedingt.“ Wichtig sei nun, dass die Politik dafür sorge, dass gesicherte Produktionsstätten in Europa aufgebaut werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verfolge diesen Weg, betonte Jan Hartig, Referent von MdB Dr. Roy Kühne, aber klar sei auch, dass dies nicht von heute auf morgen gehe. Dass eine Produktion in Europa höhere Preise mit sich bringe, sei logisch. Und klar sei auch, dass dann Politik und Kassen das auch entsprechend berücksichtigen müssen.

Hilfsmittel sind effektiv und wirtschaftlich

Dass Hilfsmittel sogar ziemlich relevant für das Gesundheitssystem sind, untermauerte Oda Hagemeier, Geschäftsführerin des Industrieverbandes Eurocom, anhand zahlreicher Fakten. Die Basis dafür bildet eine Bevölkerungsbefragung zu Nutzen und Wirksamkeit von Hilfsmitteln, die das Institut für Demoskopie in Allensbach im Jahr 2019 im Auftrag der Eurocom durchführte. 22 Mio. Menschen leiden unter Beschwerden an den Venen, 33 Mio. unter Beschwerden des Bewegungsapparates. Bei beiden Volkskrankheiten spielen medi­zinische Kompressionstrümpfe, Bandagen und Orthesen eine wichtige Rolle, um Schmerzen zu lindern und wieder mobil zu machen, betonte Hagemeier. Dies bedeute für die Betroffenen: ein Mehr an Lebensqualität und die Möglichkeit, möglichst frühzeitig wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Und davon profitiere am Ende auch das gesamte Gesundheitssystem. Derzeit nutzen laut Eurocom rund 7,8 Mio. Menschen Bandagen und Orthe­sen, rund 5 Mio. Menschen tragen medizinische Kompressionsstrümpfe und rund 12 Mio. Menschen nutzen orthopädische Schuheinlagen. Hagemeier verwies zu­dem auf die hohe Akzeptanz auf Patientenseite, was die Nutzung solcher Hilfsmittel angeht. Es sei doch bemerkenswert, dass die Hilfsmittelbranche mit einem Anteil von rund 3 Prozent an den Gesamtausgaben der GKV Millionen Menschen in Deutsch­land helfen könne. Sie brach hier auch eine Lanze für den Fachhandel: „Die Leis­tungserbringer spielen hier eine zentrale Rolle. Sie weisen in die richtige Nutzung bzw. Anwendung des Hilfsmittels ein.“ Die Hilfsmittelbranche müsse in der poli­tischen Diskussion künftig stärker be­rücksichtigt werden.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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