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29. Januar 2021
Redaktion

Corona-Krise, E-Rezept und Bürokratie beschäftigen Hilfsmitt

(01/2021) Unternehmen der Hilfsmittelversorgung leiden vor allem unter der enormen Bürokratie und unter den Folgen der Pandemie. Das ergibt eine gemeinsame Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und der Verbundgruppe RehaVital. Und obwohl sich viele Unternehmen von der zunehmenden Digitalisierung eine Erleichterung versprechen, gibt es auch Kritik. Fast die Hälfte aller Befragten befürchtet Nachteile durch das E-Rezept.
Foto: Steve Morvay/Fotolia
Foto: Steve Morvay/Fotolia

Die Auswirkungen der Corona-Krise machen auch vor der Hilfsmittelbranche nicht halt: Den knapp 6 Prozent, die eine Umsatzsteigerung für das Jahr 2020 erwarten, stehen mehr als 70 Prozent der Betriebe gegenüber, die sich mit Umsatzausfällen konfrontiert sehen. So haben auch rund 60 Prozent der Unternehmen angegeben, dass sie Kurzarbeit beantragt haben.Zum Tragen kommen hier die negativen Auswirkungen der bundesweiten Ver­schiebung aller planbaren Operationen, Eingriffe und Krankenhausaufenthalte, die zwischen März und Mai 2020 erfolgte. Dies hat sich auch auf die nachgelagerte Versorgung mit Hilfsmitteln ausgewirkt, da in einigen Produktbereichen wie der Orthopädie signifikant weniger Versorgungen zum Beispiel mit Prothesen, Bandagen oder Schuheinlagen stattfanden.

Corona legt Branche lahm

Auf der anderen Seite war zu Beginn der Corona-Krise die Nachfrage nach bestimmten Leistungen wie der Versorgung mit Sauerstoffgeneratoren oder Desinfektionsmitteln im häuslichen Umfeld stark angestiegen. Doch neben Corona beschäftigt die Hilfsmittelbranche vor allem die überbordende Bürokratie, die aufgrund der europäischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) auch noch weiter steigen wird. Dabei müssen bereits jetzt über die Hälfte der Befragten mehr als 30 Prozent der Arbeitszeit für Bürokratiepflichten aufwenden.Die ab Mai 2021 geltende MDR sieht beispielsweise höhere Anforderungen an die technische Dokumentation sowie klinische Bewertung und Nachverfolgung von individuell gefertigten Medizinprodukten wie patientenindividuelle Prothesen vor.Neben einem Mehr an Bürokratie befürchten die Unternehmen vor allem, dass so der Marktzugang innovativer, individuell gefertigter Medizinprodukte erschwert wird. So ist es auch für ca. 65 Pro­zent der Betriebe sehr oder äußerst wichtig, dass Änderungen oder zumindest praktikable Auslegungen der neuen Vorgaben erfolgen.

Bürokratie und kein Ende

Durch die Einführung des E-Rezepts sehen immerhin fast 35 Prozent der Betriebe große oder sehr große Chancen für effizientere Prozesse. Jedoch erwarten deutlich weniger Betriebe, dass dies zu einem Bürokratieabbau führen wird. Dabei sind mehr als 75 Prozent der Unternehmen vollständig digitalisierte Prozesse sehr oder äußerst wichtig.Besonders schwer wiegt das unterschiedliche Vorgehen der Krankenkassen bei Verordnungen. Viele Unternehmen wünschen sich hier einheitliche Verfahren und Dokumentationspflichten. Insbesondere bundesweit einheitliche Patienten-Erhebungsbögen stehen bei 70 Pro­zent der Betriebe ganz oben auf der Liste.Doch es gibt auch Kritik an der Digitalisierung: Fast 50 Prozent der Befragten sorgen sich, dass die Einführung des E-Rezepts zu einem Eingriff in die freie Wahl des Leistungserbringers führen wird. Die fortschreitende Digitalisierung wird insgesamt jedoch positiv eingeschätzt.Für 40 Prozent ist es sogar sehr oder äußerst wichtig, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, um digitale Anwendungen auch in der Hilfsmittelversorgung zu ermöglichen. Bislang ist die Einbindung der Hilfsmittelversorger in die digitale Patientenakte jedoch nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehen. Dabei wünschen sich 60 Prozent einen intensiveren Austausch mit Ärzten, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Patienten. Als weitere Herausforderung der Branche wird der Fachkräftemangel angesehen. Für rund 60 Prozent der Betriebe ist es sehr oder äußerst wichtig, dass die Attrak­tivität der Berufe in der Hilfsmittelversorgung gesteigert wird.

Vorschläge des DIHK

Aus den Ergebnissen der Umfrage leitet der DIHK folgende Vorschläge ab, die der Hilfsmittelbranche helfen sollen:

Wichtig sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die esermöglichen, alle Schritte innerhalb des Versorgungsprozesses – vom Auftrag bis zur Ab­rech­nung – auch wirklichdigital durch­führen zu können, um Bürokratie abzubauen. Hybridverfahren sollen da­bei vermieden werden, da siemit zu­­­sätzlichem Aufwand für die Betriebe verbundenseien.
Dazu gehöre auch, dass einheitliche Verfahren und Dokumentationspflichten bei allen Krankenkassen geschaf­fen werden. Bislang müssten die Betriebe je nach Krankenkasse teilweise unterschiedliche Vorgaben etwa zur Dokumenta­tion der Versorgung berücksichtigen. Auch eine einheitliche Umsetzung des E-Rezepts etwa hinsichtlich der Übermittlungsverfahren sei wichtig, um Aufwand und Kosten für die Betriebe zu minimieren.
Ebenfalls müsse die Abrechnung vollständig digital erfolgen. Das im Rahmen des Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG) eingeführte Verfahren einer Gutschriftenregelung auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung sei zwar ein ers­ter Schritt, reiche aber nicht aus und könne zudem in der Pra­xis aufgrund des individuellen Spielraums mit weiterem Aufwand für die Unternehmen verbunden sein.
Um den Informationsaustausch zu verbessern, sei es wichtig, dass auch Unternehmen der Hilfsmittelversorgungvollumfänglich in die digitale Patientenakte eingebunden werden.  Voraussetzung sei zudem, dass auch diese Unternehmen schnellstmöglich an die Telematikinfrastrukturangebunden werden, die alle beteiligten Akteure im Gesundheitswesen mit­einander vernetzen soll. Wichtig seidabei, ein niedrigschwelliges und unbürokratisches Legitimationsverfahren für Unternehmen der Hilfsmittelversorgung zu schaffen.
Damit Unternehmen telemedizinische Anwendungen umfassender nutzen können, sollten zum Beispiel klare gesetzliche Regelungen zum Zugang in die Versorgung – etwa über Selektivverträge – implementiert werden, die eine systematische Anwendung dieser Leistungen in der Hilfsmittelversorgung ermöglichen.
Um weitere Bürokratie für die Unternehmen zu minimieren und eine Innovationsoffenheit sicherzustellen, sei eine praktikable Auslegung der neuen Vorgaben durch dieeuropäische Medizinprodukte-Verordnung in der Praxis wichtig, etwa bei der Dokumen­tation sowie klinischenBewertung und Nachverfolgung individuell hergestellter Produkte.
Weniger Bürokratie könne auch die Attraktivität der Berufe in der Hilfsmittelversorgung verbessern, indem die Belas­tung mit patientenfernen administrativen Aufgaben verringert und somit die Zufriedenheit der Beschäftigten erhöht wird.
Die effiziente Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungs­gesetzes dürfe vor dem Hintergrund der Krise nicht vernachlässigt werden. Wichtig sei, dass bürokratiearme und flexible Rege­lungen geschaffen und im Ausland noch stärker über den Standort Deutschland sowie über Zuwanderungswege informiert werde. Darüber hinaus eröffne dies auch die Perspektive, potenzielle Auszubildende aus dem Ausland für eine Berufsausbildung im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe in Deutschland anzu­sprechen.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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