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20. Mai 2021
Redaktion
Digitalisierung / Hilfsmittelmarkt

Richtig verknüpft im E-Health-Geflecht

Juliane Pohl (Leiterin Referat Ambulante Gesundheitsversorgung, BVMed)

DVG, PDSG, DVPMG, dazu ePA und TI, eGBR und eHBA – so lange der Prozess der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung bereits andauert, so kurz sind die Begrifflichkeiten, die die zentralen Säulen dieses Kraftakts beschreiben. Von einer Revolution kann dabei nicht die Rede sein, wohl aber von einer Evolution. Denn spätestens vor dem Hintergrund der gemeinsamen Erfahrungen, die die Versorgungs­partner im Kontext der allgegenwärtigen Covid-Pandemie machen, wird immer deutlicher: Die Prozesse der Gesundheitsversorgung, das Zusammenspiel der Akteure und die Rolle des Patienten sind im Begriff, sich zu verändern.
Foto: BVMed
Juliane Pohl.

Auch mit Blick auf die ambulante Versorgung mit Medizinprodukten (Hilfs- und Verbandmittel oder enterale Ernährung) zeigt sich, dass die Verände­rungsprozesse dabei mehrdimensional sind. Schließlich betreffen sie nicht allein die Durchführung der Versorgung selbst, sondern auch die Information, Organisation und Administration und ebenso die Kommunikation – mit allen im Versorgungsnetzwerk Beteiligten.

Digitalisierung der Versorgungsprozesse

Digitalisierung ebnet den Weg für die digi­­tale Arztsprechstunde, das digitale Moni­toring. Auch die digitale Begleitung der Versorgung mit Hilfsmitteln wird hierdurch ermöglicht. Dies ist eine Errun­genschaft, die dem Zeitgeist entspricht und sicher in der bekannten Covid-Situ­ation nützlich ist. Sie nützt aber auch dem Versicherten und erfüllt seine Erwar­tungen. So wird hierüber der regelmäßige Austausch mit dem Hilfs­mittel­leistungs­erbringer, beispielsweise bei Beratung oder Einweisung, ermöglicht.

Doch wie so oft folgt auch hier ein „Aber“. Weder alle Versicherten noch alle Versorgungsbereiche sind bereit oder geeignet, „digitalisiert“ zu werden. Ob Rollstuhl-, Stoma-, Beatmungs- oder Wundversorgung: Die individuelle Bedarfsermittlung, Anpassung und Einweisung erfordern in aller Regel den persönlichen, physischen Kontakt zum Patienten. Auch in Zeiten des „Social Distancing“ zeigt sich deutlich, dass zur Gewähr­leis­tung der individuellen, qualitäts­gesicher­ten Hilfsmittelversorgung die persön­liche Versorgung vor Ort und von Mensch zu Mensch unersetz­lich ist. Dies ist trotz aller Eupho­rie auch künftig zwingend zu berücksich­tigen.

Allerdings trifft dies nicht auf alle Versorgungsbereiche oder Patientengruppen zu. Ebenso klar ist, dass eine digitale Unterstützung der Versorgung Information, Kommunikation und Administration erleichtern oder verbessern kann. Die sonstigen Leistungserbringer in­ves­­tieren daher in entsprechende Instrumentarien und setzen sich seit vielen Jahren für eine Integration in die digitalen Prozesse ein. DVG, PDSG und DVPMG schufen hierfür die gesetzliche Grundlage.

Kommunikation und Information vernetzt denken

Der Aufbau einer sicheren Infrastruktur, in der Leistungserbringer versorgungsrelevante Informationen transpor­tie­ren und den weiteren beteiligten Versor­gungs­­partnern zur Verfügung stellen sol­len, die Einführung einer digitalen Pati­enten­akte, die all diese Informatio­nen vereinen können soll – dies alles sind funda­mentale Schritte auf dem Weg hin zu einer optimierten Vernetzung und einer stär­keren Kommunikation zwi­schen Versorgungs­partnern und mit dem Pati­enten. Die Einbindung aller Akteure ist dabei unerlässlich.

Mit den jüngsten Digital-Gesetzgebungen wurden nun auch endlich die Weichen für die Anbindung der sonstigen Leistungserbringer gestellt, die ambulant mit den oben genannten Medizinprodukten versorgen. Auf der Grundlage eines sogenannten elek­tro­ni­schen Gesundheits­berufe­re­gis­­ters (eGBR) sollen elektro­ni­sche Heil­be­ru­fe­aus­weise sowie Institu­tio­nen­aus­weise als legi­ti­mie­ren­de Iden­ti­fika­ti­ons­schlüs­sel an diese Ver­sor­ger her­aus­ge­ge­ben wer­den. Um nicht wei­ter un­nö­tig Zeit ver­strei­chen zu las­sen, ist es wich­tig, dass hier zügig konkrete Lösun­gen ge­fun­den wer­den, die im Sinne aller Be­tei­lig­ten eine zeit­nahe Ein­bin­dung die­ser durch­aus viel­fäl­ti­gen Gruppe der Ver­sor­ger in die Struk­tu­ren und Pro­zesse er­mög­li­chen.

Denn letztlich muss sich jeder die Frage stellen: Was nützt der beste digi­tale Prozess, wenn Bestandteile der Ver­sorgungskette außen vor bleiben? Hilfs­mittelversorger agieren oftmals an der Schnitt­stelle zu Klinik, Arzt und Pflege. Infor­ma­tionen über Gewichtsverläufe bei ente­raler Ernährung im Rah­men einer onko­logischen Erkrankung, Ver­läufe oder Kom­plikationen im Rah­men einer Wund- oder Stomaversor­gung können und sollen technisch standardisiert und sicher an die relevanten Akteure transportiert werden können. Die Übermittlung eines Faxes ist hier sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Der Aufbau der elektronischen Patientenakte und die Integration der benannten Versorger sind somit mehr als begrüßenswert und sollten besser heute als morgen vorangebracht werden.

Digital verordnen – was gilt?

Mit besonderer Spannung beobachten nicht nur die Versorger die sukzessive Einführung der E-Verordnung. Diese ist nur konsequent und vollzieht die Transformation hin zu einer ganzheitlichen und medienbruchfreien digitalen Kommunikation. Gleichzeitig entfacht sie große Dynamiken, liegt hierin doch die Chance, Versorgungsprozesse und Pati­entenansprache neu zu gestalten.

Der Gesetzgeber stellt hierfür einen „Kreativraum“ zur Verfügung, indem er – zum gegenwärtigen Stand – die Durch­­füh­rung von Pilotprojekten er­mög­­licht. Mit einem Blick in die Praxis muten diese dabei durchaus ideen­reich an und sehen diverse „Unterstüt­zungs­­angebote“ an den Patienten bei der Aus­­wahl seines Versorgers der Wahl vor. So viel gestalterische Freiheit im Rahmen der vertraglichen Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines Pilotpro­jekts auch besteht, darf dabei jedoch eines nicht vergessen werden: Das Wahl­recht des Patienten bleibt unangetas­tet!

Das hat der Gesetzgeber im PDSG noch­mals mit Einführung des § 33 Abs. 6 SGB V sowie des § 335 SGB V bekräftigt: Die Zuweisung oder sonstige (technische) Beeinflussung ist unzulässig. In Anbetracht anlaufender Pilotprojekte stellt sich hier bereits Unwohlsein ein, die daraufhin umgehend zu prüfen sind.

Administration digital – noch Luft nach oben

Hinter den Kulissen der Versorgung ver­birgt sich eine Vielzahl administrati­ver Prozesse, die mal analog, mal digital, vor allem aber sehr variantenreich abgewickelt werden. Die diversen IT- und Abrechnungssysteme führen dabei zu einem enormen administrativen Aufwand bei der Abwicklung von Prozessen, die per se eigentlich mehr Pflicht denn Tugend sind. Dies führt zu unnö­tigen personellen wie auch finan­ziel­len Belastungen der Versorger, der Kos­ten­träger – und letztlich des gesam­ten Gesundheitssys­tems, dem diese Auf­wen­dungen nicht mehr für die Versorgung zur Verfügung stehen.

Hier gilt es, den gemeinsamen Schwung zu nutzen und die laufenden Digitalisierungsanstrengungen in der eigenen Verwaltung fortzusetzen. Auch hier ist die technische Standardisierung ein Schlüsselwort, das großzügig auf Vorgänge wie Dokumentation und Kostenvoranschlag ebenso wie auf den gesamten Abrechnungsprozess angewendet werden darf. Nachdem die gemeinsamen Rahmen­empfehlungen der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Hilfsmittel­leis­tungserbringer zur Verwaltungsvereinfachung nur spärliche Resultate hervorbrachten, ist die Zeit gekommen, hier anzusetzen.

Was kommt, was bleibt?

Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Sorgen sind durchaus berechtigt, werden diese Prozesse jedoch nicht verzögern können. Das darf auch nicht Intention sein, bietet die Digitalisierung dem Gesundheitswesen doch enorme Potenziale. Stattdessen gilt es, die Chancen zu verstehen und die richtigen und notwendigen Maßnahmen im Kontext dieser Transformation zu ergreifen. Dies gilt gerade auch für die Hilfsmittel- und Homecare-Versorgung. Obwohl diese Transformation durchaus als gemeinsamer Kraftakt zu verstehen ist, so liegt es an jedem Einzelnen, sich bestmöglich darauf vorzubereiten. Denn schließlich obliegt es auch hier dem Patienten oder Versicherten, das jeweilige Versorgungsangebot zu bewer­ten und mit den Füßen – oder mit den Fingern? – darüber zu entscheiden.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
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