Folgen Sie uns
2. Juli 2019
Redaktion
Medtech-Branche / ZMT-Infotage

Digitale Wege und Abwege in der Medizintechnik

An der Auseinandersetzung mit der zunehmenden Digitalisierung des Firmenalltags sowie ihren Chancen und Risiken kommt auch die ZMT nicht vorbei. Deshalb bildete das Thema auch den Schwerpunkt des ersten Veranstaltungstages. Die Referate hielten für die interessierten Zuhörer Beunruhigendes, Überraschendes und Herausforderndes bereit.
Foto: Gerd Altmann/Pixabay

Richard Wolf als Digital Champion

Mit Christian Obermeier, Leiter der Globalen Marketingkommunikation von Richard Wolf, hatte auch ein „Digital Champion“ das Wort. So wurde das Unter­nehmen von Focus Money für seine digitalen Strategien und Angebote bereits als „Branchensieger“ ausgezeichnet. Das Unternehmen ist auf allen relevanten Kanälen und in diversen digitalen Disziplinen präsent. Eine ganze Abteilung kümmert sich darum. Dabei sitzen alle Experten im eigenen Hause, um schnell agieren zu können.

Foto: privat
Christian Obermeier stellte das digitale Konzept von Richard Wolf vor

Für die digitale Transformation des Marketings wurde eine entsprechende „Marketing Map“ entworfen. Berücksich­tigt werden Felder wie Homepage, App, Messeauftritte, PR, (digitale) Kunden- und Mitarbeitermagazine, direkte Patientenansprache z. B. durch einen Online-Chat mit Fachärzten. Flankierend werden in Zeitschriften Artikel veröffentlicht. In ihnen wird dargestellt, welche Erkrankungen mit Produkten von Richard Wolf therapiert werden können. Patienten wer­den so informiert und Kliniken unterstützt.

Auf der Homepage werden die einzelnen Zielgruppen unterschiedlich angesprochen. Ziele des Online-Marketings sind Bekanntheit steigern, Kunden gewinnen und Kunden binden. Die Mittel reichen von der Homepage über E-Mail-Marketing, Online-PR, Social Media bis zur Suchmaschinen-Optimierung und -Werbung. In einem zentralen Portal wer­den alle 460.000 vorhandenen Dateien, die in die diversen Kanäle eingespeist werden, zentral verwaltet und aktualisiert, sodass alle Kanäle jeweils auf dem aktuellen Stand sind.

Wöchentlich wird analysiert, auf welche Kampagnen welche Zielgruppen wie gut ansprechen. So könne man entsprechend anpassen. Obermeier, der gleichzeitig die E-Academy Prima Vista von Richard Wolf leitet, verwies auch auf die Möglichkeit, Zielgruppen über Webinare zu schulen.

Perspektive des Kunden bestimmt den Weg

Der Verkaufsprozess ändert sich durch die Digitalisierung grundlegend, wie André von Merzljak von der gleichnamigen Healthcare-Marketing-Firma erläuterte. Entscheidend sei, wie man mit seinem Angebot im Internet gefunden wird. Suchmaschinen- und Content-Marketing lauten die Stichworte. Die Digitalisierung verändere das Verhalten, die Ansprüche an die Interaktion und die Beschaffungskompetenz der Kunden.

Deswegen seien Kunden häufig bereits bestens informiert, bevor sie im Kaufprozess mit einem Anbieter in Kontakt treten, so Merzljak. Das verkäuferzentrierte „Push“-Marketing werde durch das kundenzentrierte „Pull“-Marketing ersetzt. Maßgeblich hierfür sei jedoch die Online-Sichtbarkeit des eigenen Angebotes. Denn nur bei passenden Content-Angeboten komme der Kunde auf den Anbieter zu.

Foto: privat
Laut André von Merzljak sollten Firmen- Homepages dem Kunden Mehrwert abseits bzw. flankierend zur Produktwerbung bieten.

Um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu gewinnen, müssten die Unternehmen die spezifischen Informationsbedürfnisse ihrer Zielgruppen während der „Customer Journey“ (Kaufrecherche) identifizieren: „Es gilt, Informationsangebote zu erstellen, die mit der Suchintention des Kunden übereinstimmen und genug Relevanz haben, um im Suchmaschinenergebnis auf der ersten Seite ausgespielt zu werden.“

Vertrauenswürdigkeit und Service-Exzellenz

Ziel müsse es sein, sich durch eine Content-Marketing-Strategie als Experte, Berater und Partner beim Kunden zu positionieren. Es zählten Eigenschaften wie Know-how und Authentizität. Merzljak führte bekannte Marken-Homepages an, die in ihrem Webauftritt nicht mehr das eigentliche Produkt in den Vordergrund stellen, sondern vor allem Informations-Mehrwert rund um die übergreifende Thematik bieten – zum Beispiel bei einem Autohersteller E-Mobilität, Umweltaspekte des Autofahrens, Inspiration und Unterhaltung sowie die Beantwortung von häufigen Fragen oder bei einem Baumarkt Erklärvideos und Anleitungen zu handwerklichen oder gärtnerischen Projekten.

Mit solchen Content-Strategien könne man den Kunden auf seiner „Kaufrecherche“ gewinnen. Diese verläuft vom eigenen Erkennen eines Problems/Bedürfnisses bis zur Entscheidung für eine Strategie bzw. Methode zur Lösung seines Problems bzw. einer Investition. Unternehmen sollten sich auch fragen, wie typische Kunden aussehen: Welche Schlüsselworte würden diese googeln, welche Kanäle nutzen sie zur Informationsbeschaffung, wie sehen ihre Probleme, Ziele und Erwartungen aus?

Beispiel Endoskop-Aufbereitung

Als Beispiel für eine „Customer Journey“ führte Merzljak eine medizinische Einrichtung an, bei der in letzter Zeit hohe Endoskop-Reparaturkosten angefallen sind. Darüber hinaus seien Mitarbeiter mit der jetzigen manuellen Aufbereitung von Endoskopen unzufrieden. An dem Beispiel RDG-E werde deutlich, dass mitunter mehrere Entscheider mit unterschiedlichen Interessen in den Kaufprozess involviert sind.

Foto: privat
Florian Schiffer empfahl, die Daten der Kunden zur Erstellung eines Profils zu nutzen

So müssen in diesem Fall Einkaufsleiter, Oberarzt, Kranken-schwester etc. über jeweils passende Content-Angebote angesprochen und überzeugt werden. Für den Einkaufsleiter könnten z. B. passend zu seiner „Customer Journey“ Content-Angebote wie ein Whitepaper zum Thema „Reparaturkosten bei Endoskopen vermeiden“, ein Online-Amortisationsrechner „RDG-E im Vergleich zur manuellen Aufbereitung“ oder für die letzte Phase der „Customer Journey“ eine „Anbieter-Vergleichsstudie RDG-E“ erstellt werden.

Interessant war auch Merzljaks Hinweis, dass 60 Prozent der 20 erfolgreichs­ten deutschen Online-Händler nach wie vor Kataloge einsetzen. Im Rahmen einer Omnichannel-Strategie sollten alle „Kunden-Touchpoints“ zur Kundengewinnung und Kundenpflege verzahnt eingesetzt werden: Kataloge, Mailings, Online-Shop, Unternehmensblog, Videos, Außendienst, Newsletter, Schulungsangebote etc.

Kundensicht und daran orientierte Prozesse

Durch die digitale Transformation stehen Unternehmen und insbesondere Händler laut Florian Schiffer von Companion Consulting vor nachhaltigen und andauernden Herausforderungen. Große Handelsplattformen mit hocheffizienten Prozessen schaffen seiner Einschätzung nach ein Höchstmaß an Transparenz, führen einen aggressiven Preiswettbewerb und verdrängen so perspektivisch kleinere Händler vom Markt.

Um diesem Phänomen zu begegnen nannte Schiffer zwei Erfolgsfaktoren: Zum einen sollten Unternehmen ihre analogen und digitalen Angebote so gestalten, dass die „Kunden auch morgen noch zu mir kommen“ – Stichwort: Kundenerlebnis. Deshalb sollten die Bedürfnisse der Kunden vorweggenommen werden, „um deren Erwartungen stets zu übertreffen“. Zum anderen sollten auch die Prozesse stets optimiert werden.

Foto: privat
Tom Weinert regte zum Nachdenken über poten zielle Gefahren in der digitalen Welt an

Dabei sei die Erhebung, Analyse und Nutzung von Daten unerlässlich, indem Profile der Kunden entsprechend deren Nutzungsverhalten erstellt werden. So könnten Kunden auch personalisiert angesprochen werden. Der Referent appellierte an die Verbandsmitglieder, Kooperationen zu schaffen und zu nutzen. Denn für Einzelkämpfer werde es immer schwieriger, gegen­über den großen Plattformen zu bestehen. Gemeinsame Ziele ermöglichten mehr Effizienz.

Digitale Gefahren

Dass man mit seinen persönlichen Daten aber auch sensibel umgehen sollte, ist inzwischen bekannt. Doch viele ignorieren dies. „Digitale Lebenswelten erfordern
digitale Kompetenzen“, lautete denn auch der Titel des Vortrages von Tom Weinert. Er ist im Hauptberuf Kriminalpolizeibeamter in München; dort und im Nebenberuf klärt er über die Gefahren digitaler Welten auf. Sein dringender Rat: „Alles, was mit dem Internet verbunden ist, muss regelmäßig aktualisiert werden.“ Angesichts von Geräten in sog. Smarthomes, ungesicherten Webcams, Smart-TVs usw. wachse die Zahl der Einfallstore für Datendiebe und Hacker.

Die menschliche Firewall habe viele Schwachstellen. Einfallstor Nr. 1 ist nach wie vor ein E-Mail-Anhang, der sich als Bewerbung oder Rechnung tarnt. Verdächtige Dateien sollten z. B. auf einer Plattform wie Virutstotal.com überprüft werden. Der kostenlose Dienst analysiert verdächtige Dateien und URLs auf Schadsoftware.
Um sicher im Internet unterwegs zu sein, empfahl er die Nutzung von VPN-Services, sicheren Passwörtern mit mindestens 18 Stellen sowie von einem anonymisierten Web-Modus etwa in Mozilla Firefox.

Grundsätzlich würden kosten­lose Dienste „mit unseren Daten bezahlt“. So habe der Messenger-Dienst WhatsApp Zugriff auf alle Bilder auf dem Endgerät, weshalb er die Nutzung von alter­nativen, sicheren Diensten empfahl (z. B. Threema). Und Facebook wisse fast alles über die Nutzer: Namen, Aufenthaltsorte, Berufe, Vorlieben usw.

Foto: Karolina Grabowska/Pixabay
Person
Zurück
Speichern
Nach oben